Zu laut, zu viel, zu stressig:
Eine neue Studie stellt Österreichs Arbeitsplätzen ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.
Aber ist die Lage wirklich so schlimm?
Ein Erklärungsversuch.
Österreich, das Paradies für Arbeitnehmer?
Österreich, das Paradies für Arbeitnehmer?
Mitnichten. Großzügige Urlaubsansprüche, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie eine ausgezeichnete Absicherung bei Krankheit oder Jobverlust:
Trotz all dieser Vorzüge, die Beschäftigte hierzulande genießen, landet Österreich in einer aktuellen Studie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei der Qualität der Arbeitsplätze nur auf Platz 19 von allen untersuchten Industrieländern – hinter Großbritannien, den USA und sogar Estland.
Da hilft es auch nicht, dass Österreich die niedrigste Arbeitslosigkeit hat und Österreichs Beschäftigte kaum Angst haben, ihre Jobs zu verlieren.
Besonders miserabel schneidet Österreich bei den Arbeitsanforderungen ab.
Die Beschäftigten empfinden ihre Arbeitszeiten als lang, den Druck als hoch und sehen sich großen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt.
Im Durchschnitt dieser Faktoren landet Österreich nur auf Platz 27 von 32 Ländern. Aber kann es wirklich sein, dass es sich hierzulande schlechter arbeitet als in Mexiko?
„Wir waren in der ersten Reaktion auch überrascht“, sagt Christopher Prinz aus der OECD-Abteilung für Beschäftigung und Soziales und Ko-Autor der Studie.
„Wir waren in der ersten Reaktion auch überrascht“, sagt Christopher Prinz aus der OECD-Abteilung für Beschäftigung und Soziales und Ko-Autor der Studie.
Für die überraschend schlechte Performance hat er mehrere Erklärungen parat:
zum einen die ökonomische Struktur Österreichs. So habe der Tourismus eine relativ hohe Bedeutung für die heimische Wirtschaft „und dort sind die Arbeitsbedingungen natürlich fürchterlich“, so Prinz.
Dazu komme eine hohe Belastung durch Lärm und Schmutz, was durch den hohen Industrieanteil in Österreich erklärt wird. Jeder sechste Arbeitnehmer habe darüber geklagt, was, so Prinz, im internationalen Vergleich relativ ungewöhnlich sei. Und es gebe immer noch große Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten.
Ein Grund dürfte auch in der Methode liegen:
Die Daten, die dem Bericht zugrunde liegen, stammen überwiegend von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin, die die Studienteilnehmer über ihr Arbeitsumfeld befragt hat.
Objektive Kriterien wurden keine miteinbezogen.
Wobei man persönliche Stresslevels wohl auch relativ schwer vergleichen kann. Außerdem, sagt Prinz: „Forschungsergebnisse zeigen, dass subjektive Einschätzungen oft sehr viel mit der Wirklichkeit zu tun haben. Was die Menschen empfinden, wird automatisch zu einer gewissen Wirklichkeit.“
Und die sieht dann so aus:
Österreichs Unternehmen und Politiker, so rät die OECD, müssen schleunigst etwas unternehmen, wenn sie sich nicht mit rasant steigenden Burn-out-Raten, Depressionen und anderen stressbedingten physischen und psychischen Krankheiten herumschlagen wollen.
Hohe Kosten für Burn-out. Schon jetzt verursachen psychische Krankheiten in Österreichs Volkswirtschaft jährlich rund sieben Milliarden Euro Schaden, wie eine Studie des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider im Dezember ergab.
Hohe Kosten für Burn-out. Schon jetzt verursachen psychische Krankheiten in Österreichs Volkswirtschaft jährlich rund sieben Milliarden Euro Schaden, wie eine Studie des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider im Dezember ergab.
Wird etwa ein Burn-out bei einem Beschäftigten rasch diagnostiziert, koste das den Betrieb zwischen 1500 und 2300 Euro.
Bemerkt man es erst, wenn sich der Betroffene schon mitten im Zusammenbruch befindet, schnellen die Kosten im schlimmsten Fall auf bis zu 130.000 Euro in die Höhe.
Die Arbeiterkammer, die sich das Thema Burn-out-Prophylaxe schon vor Jahren auf die Fahnen geheftet hat, fühlt sich durch die OECD-Studie bestätigt:
„Die Betriebe müssen viel besser darauf achten, ob ihre Mitarbeiter Belastungen ausgesetzt sind“, sagt Alexander Heider, Leiter der Abteilung Gesundheit und Arbeit in der AK.
Seit 2013 sind Unternehmen verpflichtet, ihre Arbeitsplätze auf Stressfaktoren zu evaluieren. Eine Untersuchung im vorigen Frühjahr ergab, dass 40 Prozent der überprüften Firmen die gesetzlichen Vorgaben ignorierten.
Einigermaßen überrascht über die OECD-Studie zeigte sich die Wirtschaftskammer:
Einigermaßen überrascht über die OECD-Studie zeigte sich die Wirtschaftskammer:
Es bestehe „kein Grund, die heimische Arbeitswelt krankzujammern“, so WKÖ-Sozialexperte Rolf Gleissner in einem Rundschreiben.
Eine Erklärung ist für ihn:
„Österreicher und Deutsche arbeiten überdurchschnittlich produktiv, was auch eine höhere Arbeitsbelastung mit sich bringt.“
Er verweist aber auch auf andere Quellen, etwa das Europäische Gewerkschaftsinstitut ETUI, das die Arbeitsqualität in Österreich weit überdurchschnittlich einstuft. In der OECD-Studie liegt Deutschland bei der Arbeitsplatzqualität einen Platz hinter Österreich.
Am besten schnitt Schweden ab, gefolgt von Norwegen, Neuseeland, Irland, Finnland und der Schweiz.
„Wenn die Mitarbeiter nicht zufrieden sind, kostet das ein Unternehmen viel Geld“, sagt Doris Pfalz vom Institut Great Place to Work, das regelmäßig Österreichs beste Arbeitgeber auszeichnet.
„Wenn die Mitarbeiter nicht zufrieden sind, kostet das ein Unternehmen viel Geld“, sagt Doris Pfalz vom Institut Great Place to Work, das regelmäßig Österreichs beste Arbeitgeber auszeichnet.
Es werde immer wichtiger, dass Führungskräfte Anerkennung für gute Arbeit und Einsatz zeigten. In den Firmen, die es zuletzt unter die besten schafften, beantworteten 76 Prozent der Mitarbeiter diese Frage mit „Ja“.
In jenen, die sich um die Auszeichnung bewarben, sie aber nicht bekamen, waren es 52 Prozent.
In den Gewinnerfirmen fanden 73 Prozent der Belegschaft, dass man „an diesem Arbeitsplatz psychisch und emotional gesund“ bleibe, in den übrigen nur 48 Prozent.
In den Topbetrieben kommen 85 Prozent gern zur Arbeit, in den restlichen nur 56 Prozent.
„Dabei arbeiten wir ohnehin schon mit den Unternehmen, die auf Arbeitsplatzkultur Wert legen“, so Pfalz.
„Löhne müssen steigen.“
Unterdurchschnittlich schnitt Österreich in der OECD-Studie letztlich auch bei den Einkommen ab – obwohl die Bruttolöhne verglichen wurden, die hohe österreichische Abgabenquote also noch gar nicht zum Tragen kam.
Das liegt, sagt Prinz von der OECD, auch daran, dass in Österreich in den vergangenen 15 Jahren starke Lohnzurückhaltung betrieben wurde.
Im Unterschied zu fast allen anderen OECD-Ländern.
Das habe Österreich zwar sehr wettbewerbsfähig gemacht – nun sei aber der Plafond erreicht: „Lohnsteigerungen werden notwendig sein, auch im Sinne der Krisenbewältigung.“
Artikel von Jeannine Binder (Die Presse)
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