Jahrelang galt für Ärzte die Devise:
Bei der Cholesterinsenkung strikt an die Zielwertvorgaben halten! Doch damit machen die neuen US-Leitlinien jetzt Schluss - was heftige Diskussionen auch hierzulande hervorrufen wird.
Cholesterin-Messung: Ist sie noch nötig, wenn Cholesterin-Zielwerte obsolet sind? © Raths / fotolia.com |
Oh Gott, noch mehr Leitlinien, wird so mancher stöhnen angesichts der unaufhörlichen Flut neuer oder aktualisierter Empfehlungen zum Management von Erkrankungen.
Doch diese Guidelines sind es wert, sehr genau unter die Lupe genommen zu werden. Denn ihre Autoren brechen mit einer gewohnten Präventionsstrategie, die bisher gültig und in den Köpfen von Ärzten verankert war.
Keine strikte Ausrichtung cholesterinsenkender Therapien an Zielwertvorgaben mehr.
Auf Basis der vor mehr als einem Jahrzehnt veröffentlichten NCEP-ATP-III-Empfehlungen galt bisher das Prinzip, dass sich die Güte der cholesterinsenkenden Therapie am Erreichen von risikoadaptierten LDL-Cholesterin-Zielwerten bemisst.
Je höher das kardiovaskuläre Risiko, desto niedriger die LDL-Zielwerte. Für Risikopatienten mit manifesten Gefäßerkrankungen etwa galt:
Unter 100 mg/dl sollte der LDL-Wert mit der Therapie schon gesenkt werden, bei sehr hohem Risiko können es gut und gerne weniger als 70 mg/dl sein.
Das Kapitel der strikten Ausrichtung cholesterinsenkender Therapien an Zielwertvorgaben wollen die Autoren der neuen US-Leitlinien ein für alle Mal beenden.
Zwar haben sie nichts dagegen, wenn den bisherigen Zielvorgaben entsprechende Cholesterinwerte unter der Therapie erreicht werden - definierte fixe Zielpunkte, deren Nichterreichen quasi ein Therapieversagen darstellt, haben aber nach ihrer Ansicht ausgedient.
Das Kapitel der strikten Ausrichtung cholesterinsenkender Therapien an Zielwertvorgaben wollen die Autoren der neuen US-Leitlinien ein für alle Mal beenden.
Zwar haben sie nichts dagegen, wenn den bisherigen Zielvorgaben entsprechende Cholesterinwerte unter der Therapie erreicht werden - definierte fixe Zielpunkte, deren Nichterreichen quasi ein Therapieversagen darstellt, haben aber nach ihrer Ansicht ausgedient.
Die neuen Leitlinien vollziehen einen Schwenk im Rahmen einer bereits länger schwelenden Kontroverse, die immer wieder mal aufflammt.
Er geht um die grundsätzliche Frage:
Soll die Cholesterinsenkung per Titration nach Maßgabe vorgegebener Zielwerte erfolgen ("treat to target"), oder soll die Lipidtherapie (in der Regel mit Statinen) mit einer festen Dosis ohne Berücksichtigung der erreichten Lipidwerte vorgenommen werden ("fire and forget").
Die neuen US-Guidelines erheben nun das Konzept der "festen Dosis" zum Standard. Ihre Autoren halten diese Entscheidung für wohlbegründet.
Sie betonen immer wieder, dass die wesentliche Richtschnur bei der Erstellung der neuen Empfehlungen die durch randomisierte kontrollierte Studien (vor allem mit Statinen) geschaffene wissenschaftliche "Evidenz" war. An der hat man sich streng orientiert.
Strenge Orientierung an der "Evidenzbasis"
Und genau aus diesem Grund wird nun das bisherige "Treat-to-target"-Prinzip ad acta gelegt. Denn, so das Argument:
In keiner einzigen randomisierten kontrollierten Studie sei je verglichen worden, welche klinischen Auswirkungen eine Einstellung der Patienten auf unterschiedliche Lipidzielwerte hat.
Zwar gibt es einige Studien, in denen Statintherapien von unterschiedlicher Intensität verglichen wurden. Die intensiveren Statinregime, mit denen eine stärkere Cholesterinsenkung erreicht wurde, erwiesen sich als klinisch vorteilhaft - was das Prinzip "the lower, the better" zu bestätigen scheint.
Verglichen wurden aber eben nicht unterschiedliche Zielwerte, sondern Statindosierungen von unterschiedlicher Wirkstärke. Letztere werden in den neuen Leitlinien sehr wohl berücksichtigt.
Die Autoren sind an deren Erstellung nach eigenem Bekunden mit einer geänderten Ausrichtung herangegangen. Ausgangsfrage war demnach nicht, wie tief der optimale LDL-Zielwert sein sollte, sondern: Wer sind die Patienten, die nach Maßgabe der anhand von validen Studiendaten überprüfbaren Evidenz den größten Nutzen bei zugleich niedrigem Risiko aus einer Behandlung mit Statinen ziehen?
Vier Patientengruppen identifiziert
Bei dieser Suche wurden vier Patientengruppen ("statin benefit groups") identifiziert:
Patienten mit atherosklerotisch bedingten kardiovaskulären Erkrankungen, Patienten mit LDL-Werten über 190 mg/dl (etwa bei familiärer Hypercholesterinämie), Patienten mit Diabetes (Alter: 40 bis 75 Jahre) ohne kardiovaskuläre Erkrankung und Personen ohne kardiovaskuläre Erkrankung oder Diabetes, deren 10-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen höher als 7,5 Prozent ist (Primärprävention).
Für jede Gruppe werden differenzierte Empfehlungen zur Intensität einer Statintherapie ("hoch intensiv", "moderat intensiv") gegeben - natürlich ohne Erwähnung von Zielwerten.
Diese Leitlinien müssen nun erst einmal in den Fachkreisen "verdaut" werden. Mit Kritik ist zu rechnen. Die National Lipid Association (NLA) in den USA etwa war zunächst am Prozess der Leitlinienerstellung mitbeteiligt.
Uneinigkeit über deren Ausgestaltung führten dann zur Entscheidung der NLA, den Guidelines die Unterstützung zu verweigern.
Die deutsche "Lipid-Liga" betonte 2011 in einer Stellungnahme wörtlich: "Zur zielwertorientierten Anpassung der Dosierung von Statinen gibt es aus ethischen Gründen keine Alternative".
Das lässt kaum Raum für die Akzeptanz der neuen Empfehlungen.
Original Artikel: Ärzte Zeitung: Von Peter Overbeck
Lesen Sie dazu auch:
DGE kritisiert US-Leitlinien: Weiter an Cholesterinzielwerten festhalten!
Das lässt kaum Raum für die Akzeptanz der neuen Empfehlungen.
Original Artikel: Ärzte Zeitung: Von Peter Overbeck
Lesen Sie dazu auch:
DGE kritisiert US-Leitlinien: Weiter an Cholesterinzielwerten festhalten!
GUIDELINES: American Heart Association (AHA) und American College of Cardiology (ACC) haben neue Cholesterin-Guidelines (Englisch)
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